Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, kam Dragan Ribic vor vier Jahren nach Detmold, um an der Hochschule für Musik ein Master-Studium als Akkordeon-Solist zu beginnen. Mit Bravour bestand er damals seine Aufnahmeprüfung, verliebte sich in die Sprache, die Menschen und das Land.
Eigentlich kam alles anders geplant. Bei Professor Grzegorz Stopa in Wien wollte der aus Bosnien und Herzegowina stammende Dragan Ribic studieren, um nicht ganz so weit entfernt von seiner Familie zu sein. Doch mit dem Studienplatz in Wien sollte es nicht klappen. Ribic versuchte es daraufhin bei Stopa in Detmold – mit Erfolg.
Als Dragan Ribic vor 28 Jahren geboren wurde, herrschte in seiner Heimat Krieg. Dennoch fand er seinen Weg zur Musik. Sein Wunsch, Klavier zu spielen, kam mangels Instrument nicht
in Frage. Seine Eltern schlugen ihm vor, es zunächst mit dem zu Hause vorhandenen Akkordeon zu probieren. Dragan Ribic lernte schnell. Bereits mit 13 Jahren nahm er das erste Mal an einem internationalen Wettbewerb teil und gewann sofort den ersten Preis. Seitdem hat er bei unzähligen nationalen und internationalen Wettbewerben gespielt und stets einen Preis errungen. Sein Bachelorstudium schloss Dragan Ribic in Sarajevo mit der Traumnote 1,0 ab.
Diesen Erfolg setzte er in Detmold fort. Zielstrebig suchte er den Kontakt zu seinen Mitstudenten und lernte im Austausch mit ihnen die deutsche Sprache. „In Deutschland habe ich quasi bei Null angefangen. Ich kannte niemanden und konnte mich zunächst nur in Englisch verständigen. Aber wenn man eine Sprache liebt, dann lernt man sie auch schneller“, sagt Ribic. So vereinbart er mit seiner Freundin manchmal, einen Tag lang nur Englisch zu sprechen. Denn Sprache sei ein gutes Training für das Gehirn.
Sein Studium finanziert Ribic komplett selbst. Nebenbei arbeitet er als Honorarkraft an der Musikschule in Hamm. Sein Akkordeon, ein handgefertigtes Pigini Bayan 58P aus Italien, bekam er mit 19 Jahren von seinen Eltern geschenkt. Es war das beste Instrument, das sie sich leisten konnten. Jetzt spart er auf ein Konzertakkordeon, das zwischen 16.000 und 20.000 Euro kostet. Eine gute finanzielle Unterstützung sind für ihn die Wettbewerbe und Stipendien. Auch der Förderpreis „Junge Kunst“ sei für ihn eine große Hilfe gewesen.
Dragan Ribic ist Perfektionist und ein Meister seines Fachs. Neben seiner Virtuosität interpretiert er klassische Werke mit großer Einfühlsamkeit und Musikalität. Er liebt die Bühne und mag den Applaus. Nicht nur gut, sondern besser zu sein, das ist sein Anspruch. Und dafür übt er täglich vier bis fünf Stunden. Um sich komplett seinem Masterstudium Akkordeon-Instrumentalpädagogik zu widmen, hat er vorübergehend sein Aufbaustudium Konzertexamen auf Eis gelegt.
In der Zukunft möchte Ribic mehr Konzerte spielen. Vielleicht einmal als Professor für Akkordeon an der Hochschule zu unterrichten oder aber als Akkordeonsolist mit einem Sinfonie- oder Kammerorchester zu spielen, wäre sein Traum. „Ein Akkordeon ist ein sehr vielseitiges Instrument. Man hat ein kleines Orchester in nur einem Instrument sowie Begleitung und Melodie in einem. Und das Beste: Man kann es überall mit hinnehmen“, berichtet er.
Auch wenn der junge Musiker weit entfernt von seiner Familie lebt, so steht er mit ihr täglich im engen Austausch. Dank der modernen Technik wissen seine Eltern, was er gerade macht, drücken ihm bei Auftritten die Daumen und unterstützen ihn mental. Die Entscheidung, in Deutschland zu studieren, hat er nie bereut, im Gegenteil. „Hier habe ich viel bessere internationale Möglichkeiten, die ich für mich nutzen kann“, sagt er. So erweitere sich auch ständig sein Netzwerk, das für Musiker von entscheidender Bedeutung sei. Für sein Duo aus Akkordeon und Gesang mit dem Namen „Stimme auf Schwarz-Weiß“ plant er demnächst eine CD und eine Internetseite. Bei Facebook und Youtube ist er bereits unterwegs. „Man ist im ständigen Austausch, kann kostenlos werben, interessante Tipps bekommen oder posten“, sagt Ribic.
Eine ganz besondere Erfahrung durfte er gerade erst mit einer Konzertreise durch Mittel- und Südamerika machen. Auf Einladung des One Earth Orchestras war er für drei Wochen als Musiker dabei. Gemeinsam mit dem Ensemble spielte er Weltmusik. Besonders beeindruckt haben ihn zwei große Konzerte in Costa Rica und Ecuador mit vielen verschiedenen Musikern. „Die Musiker sprachen unterschiedliche Sprachen, was eine Verständigung schwierig machte. Dennoch war es auch dieses Mal kein Problem, denn über die Musik und die Noten haben wir uns verstanden. Sie waren und sind unsere Sprache.“